Und, schon was gefangen?

«Hast du schon etwas gefangen?» Ich drehe mich zur Seite und entdecke erst jetzt den kleinen Mann neben mir. Die Arme weit ausgebreitet hält er sich an seinem viel zu grossen Fahrradlenker fest. Die Beine und Füsse sind ganz gestreckt, um einigermassen das Gleichgewicht zu halten. Irgendwie erinnert er mich an einen Harley-Fahrer. «Hast du schon etwas gefangen?» fragt er wieder. «Ja, ein paar Alets.» «Was sind denn Alets? Sind das die Fische, die man da im Kanal sieht?» «Ja, genau. Die nennt man auch Weissfische!» Der Kleine schaut angestrengt in den Kanal und meint: «Die sind ja gar nicht weiss!» «Ja stimmt, aber die nennt man halt so!» «Und wo hast du die Würmer», fragt der Kleine. «Ich fische nicht mit Würmern. Ich fische mit kleinen, selbst gebundenen Käfern.» «Fressen die Fische lieber Käfer als Würmer?» «Ja manchmal schon». Ich versuche etwas abzulenken. «Gehst du schon zur Schule», frage ich ihn. «Ja in die erste Klasse, mit 30 Jungs». «30 Jungs? Ist das nicht ein wenig langweilig ohne Mädchen?» «Nein, Mädchen sind langweilig! Die mag ich nicht!» Ich bin froh, dass er unser Gespräch in eine andere Richtung lenkt. Meiner Meinung nach sind gleichaltrige Mädchen nämlich gar nicht so langweilig. «Darf ich auch mal fischen», fragt er und schaut mit seinen sanften Rehaugen ganz lieb zu mir hinauf. «Ja du darfst. Aber pass auf, Fliegenfischen ist nicht so einfach wie du denkst.» Er nimmt die Rute und wedelt ganz wild hin und her. Als er mit der Rutenspitze in den Boden sticht, bereue ich meine Unbekümmertheit. «Darf ich dein Netz haben? Damit fange ich bestimmt mehr Fische!» Froh, dass er mir meine Rute unversehrt entgegenstreckt, willige ich ohne Zögern sofort ein. Doch schon naht das nächste Ungemach. Er rennt mit dem Kescher, der fast so gross ist wie er, die steile Böschung hinunter, stoppt kurz vor dem Wasser und fällt – Gott sei Dank - nicht hinein. «He, pass auf, dass du nicht ins Wasser fällst!» «Ich bin schon mal reingefallen», ruft er verschmitzt zurück. «Und wars lustig? Kannst du überhaupt schwimmen?» «Nein, aber mein Vetter hat die Eltern geholt, die haben mich dann herausgezogen!» «Bitte, komm und steh neben mich. Sonst verscheuchst du mir noch alle Fische.» Der Junge klettert auf allen Vieren die Böschung herauf und stellt sich neben mich. «Woher kommst du eigentlich», fragt er mich. «Aus Naters.» «Und warum fischst du dann hier in Lalden?» «Weil es hier mehr Fische hat.» Der Dreikäsehoch nervt etwas und fragt unbekümmert weiter: «Bist du mit dem Auto da? Und wo steht das denn?» «Ja, mit dem Jeep. Er steht da unten», antworte ich etwas kurzgehalten. Während er nach dem Auto schaut, nutze ich den ruhigen Augenblick für zwei saubere Würfe. Beim zweiten Wurf setzt mein Käfer mit einem sanften Platschen auf und sogleich kann ich einen Fisch haken. Ich ziehe ihn zu mir herauf, befeuchte meine Hände, hake ihn ab und gebe ihn zurück in den Kanal. Schon wieder steht er neben mir. «Warum hast du den nicht totgeschlagen?» «Der war zu klein, den muss man zurücksetzen.» Ich fische schweigsam weiter und versuche trotz unaufhörlicher, fragender Ablenkung einigermassen konzentriert weiter zu fischen. Nach ein paar Würfen hake ich einen etwas grösseren Alet. Ich ziehe ihn wieder zu mir, befeuchte meine Hände, hake ihn ab und setze ihn zurück. «He, warum hast du den Grossen nicht totgeschlagen?», ruft mir der Bengel mit hörbarer Empörung zu. Etwas baff gebe ich ihm zur Antwort, «weil ich keinen Hunger habe.» «Und warum fischst du dann», fragt mich der Kleine.

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