
Auch dieses Jahr ist er wieder da. Immer am gleichen Ort. Klamm vor Kälte sitzt er auf seinem zusammenklappbaren Dreibeinstuhl. Der alte Mann hält seine kräftige Rute und seinen grossen Schnurhaspel fest in der Hand. Er bewegt sich nur, um ab und zu seinen Köder neu auszuwerfen. Wie ein altes Uhrwerk, periodisch genau und mechanisch präzis.
Der alte Mann interessiert mich. Eben noch habe ich ihn bewundert. Ihn, weil er versucht hat, ohne fremde Hilfe die steile Rottenböschung hinunter zu klettern und meinen Freund, weil er ihm dabei spontan geholfen hat. Und auch den jungen Fischer habe ich bewundert, der dem alten Mann geholfen hat, den festsitzenden Haken aus dem Rottenbett zu lösen. Das nenne ich echte Kameradschaft und gelebte Hilfsbereitschaft unter Fischern! Chapeau!
«Ils sont très serviables les Haut-Valaisans, vraiment très serviable!», meint er, bevor er meine Fragen beantwortet. Seine Stimme ist kräftiger als seine alten Beine. Knieschmerzen habe er. Mit 85 Jahren sei das aber wohl normal. Er sei Walliser und komme aus Troistorrents, wohne aber schon lange in Genf. Er kramt sein rosarotes Büchlein mit der Fangstatistik aus seiner grünen Fischerjacke heraus. Er will mir beweisen, dass er schon mehr als 65 Jahre lang fischt. Doch er findet den Beweis nicht. Aber ich glaube ihm trotzdem jedes Wort. Auch, dass er neben dem Walliser Fischereipatent auch jedes Jahr das von Aosta löst. Unter Fischern ist es üblich, dass man sich duzt. Dennoch fällt es mir schwer, den alten Mann mit du anzureden. «Warum fischt du denn an der Eröffnung immer hier am Rotten in Turtmann und immer an der gleichen Stelle? Hattest du ein besonderes Erlebnis hier?», frage ich ihn etwas zurückhaltend. Er wisse es auch nicht, sagt er mit leichtem Achselzucken.
«Vraiment très serviable les pêcheurs du coin». Und jetzt frage ich mich, warum ich ihn nicht nach seinem Namen gefragt habe.
Kommentar schreiben